Interview mit Christoph Wohlfarth


Lieber Christoph, erst einmal vielen Dank für die Einladung!
Du sagst, es hat etwas Besonderes auf sich mit der Bezeichnung der Schokoladen?
- Ja genau, es handelt sich dabei um Jahreszahlen, ich habe mir eben überlegt, was kannst du machen, es gibt ja eigentlich schon alles, einige Hersteller haben auch schon die Zahlen des Kakaogehaltes vorne involviert. Das war dann auch meine Idee, das aufzugreifen, nämlich eine Jahreszahl, bei der du hinten den Kakaogehalt erkennen kannst, zum Beispiel bei der "1847", eine 47%-ige Milchschokolade, bis hin zur "1492", das ist 92%-ige Schokolade. Zu den Jahren selber gibt es auch etwas zu sagen, am spannendsten ist sicher "1847", das Datum, seit dem es Schokolade in der Form gibt, in der wir sie heute kennen (das heißt, als Tafeln, Anm.). Eigentlich gibt es Schokolade ja schon seit über 3000 Jahren, die Azteken sind ja so die ersten, bei denen sie erwähnt wurde, bis 1850/47 ungefähr gab es Schokolade aber eben nur in Trinkform, das heißt, die Geschichte der Schokolade ist uralt, aber die Geschichte der Tafelschokolade ist noch sehr, sehr jung. Und das kann man ja als Anlass nehmen, einer Schokolade diesen Namen zu geben. 1978 ist relativ schnell erklärt, das ist ein super Jahrgang, da bin ich geboren (lacht). Und 2081 habe ich gewählt, weil zwei Dinge zusammenkommen: eine dunkle Schokolade und eine Milchschokolade, die eine 81-prozentige Milchschokolade ergeben. Es gibt ja eigentlich immer die zwei Lager, die einen mögen nur dunkle, die anderen nur helle Schokolade und in dieser Schokolade ist beides vereint, deswegen ist sie die "Schokolade der Zukunft" für mich, daher "2081". "1492" ist ja sehr geschichtsträchtig, das Jahr, in dem Amerika entdeckt wurde, Christoph Columbus war ja derjenige, er selbst hat zwar mit dem Kakao nichts anzufangen gewusst, das war erst ein paar Jahre später Hérnan Cortés, der den Wert des Kakaos erkannt hat, aber für mich hat Christoph Columbus den Weg geebnet, dass kurze Zeit später der Kakao nach Europa kommen konnte und seinen Siegeszug hier fortgesetzt hat, das kann man auch als Anlass nehmen, dieses Datum in einer Tafel zu verewigen. 
Und dann gibt es eben noch die dritte Ebene, das ist die Ebene, auf der wir etwas zum Kakao sagen können. Das steht noch nicht drauf, ich möchte meine Tafeln noch in eine Schachtel stecken, mal sehen, ob ich das dieses Jahr schaffe, das ist ja auch immer eine Kosten- und eine Zeitfrage. Aber wenn wir das machen und wenn das wirklich in Schachteln rein kommt, dann werden wir eben auch noch Angaben dazu machen, wo der Kakao herkommt, weil das ist gerade bei den tafeln durchaus sehr wichtig, bei den anderen  Produkten, einem der Produkte, über die wir uns eigentlich identifizieren, wofür wir bekannt sind, sind eben die Schokoladenschallplatten, und da ist jetzt eben nicht so wichtig, ob das jetzt eine besonders aromatische Schokolade ist oder nicht, bei den Salami ist das ja auch nichtig, da sind ja auch die Nüsse und der Nougat im Vordergrund, aber bei den Tafeln ist es eben wichtig, dass du einen charakterstarken Kakao hast, von unserer normalen Mischung, der aus Kakao besteht, der aus Peru stammt, eine Mischung aus Criollo und Trinitario; die Criollo als edelste Bohne ist zwar auch ein bisschen mit drin, auch wenn er für mich jetzt nicht der wichtigste ist, weil er sehr feingliedrig im Geschmack ist, also gar nicht so intensiv, da finde ich den Trinitario oder den Arriba Nacional oder eben eine Mischung spannender.
Bei der "1978" haben wir Criollo, Trinitario und Arriba Nacional und ein bisschen rohe Schokolade, das wechselt auch mal, bei der "2081" Criollo und Trinitario, das besondere ist, dass wir dabei mit einer 100%-igen arbeiten und Milchschokolade hinzugeben, bis wir von 100% auf 81% kommen. 
Die "1492" ist eine ganz spannende Schokolade, wir nehmen als Ausgangsposition unsere 70%-ige, nehmen dann die Nibs aus Madagaskar, auch eine Trinitario-Mischung, vermahlen sie ganz grob, geben sie in die 70%-ige, sodass wir schließlich von 70 auf 92 Prozent kommen, und die ist eben nicht so intensiv und extrem wie eine normale 92%-ige, sondern am Anfang wie eine 70%, also fast süß, und dann fängt es langsam an, dass man diese kleinen Stückchen auch schmeckt, sie wird immer intensiver und nach hinten raus ist sie am kräftigsten.

Deine Verpackungen sehen nach Plastik aus, aber das sind sie gar nicht?! 
- Das ist mir sehr wichtig, dass wir bei den Verpackungen auf Kunststoff verzichten, auch das ist eine Information, die auf der neuen Verpackung dann ein bisschen deutlicher rüberkommen wird, wir arbeiten mit FSC-zertifiziertem oder recyceltem Papier und Zellglas (außer bei den Schallplatten, Anm.)
Warum wollen wir die Tafeln jetzt doch in Schachteln verpacken? Zum einen hat das Zellglas Nachteile, zum Beispiel, dass es nicht aromaversiegelt, sondern ein bisschen durchlässig ist, das ist nicht optimal. Wenn sie (die Tafeln, Anm.) ein bisschen liegen, nachdem sie produziert sind, lassen sie schon ein bisschen nach. Zum anderen müssen wir uns eben auch im Wettbewerb behaupten; in meinem Laden funktioniert das sehr gut, oder eben auch in ein, zwei Weinläden, aber wenn du in einen Schokoladenladen rein kommst, wo eben Schokoladen aus aller Welt verkauft werden, da haben es unsere relativ schwer, weil sie halt nicht so sexy aussehen und dieser gewisse Charme macht es halt nicht wett, da greift man schon eher zur hübschen Schachtel.


Wie bist Du eigentlich dazu gekommen, Schokoladen herzustellen, ist das Familientradition, ich sehe hier gerade ein Foto hängen?
Das Handwerk ja, und die Bäckerei. Ich bin gelernter Bäcker; das geht in der  Familie meines Vaters bis 1600 zurück, also seit 1600 gibt es Bäcker (bei uns) und mein Großvater ist der letzte Bäcker gewesen und ich habe es dann auch gelernt, aber nicht deswegen. Ich bin dann vom Bäcker zum Konditor gekommen, Bäcker war dann nicht ganz so meins, nachts aufstehen und mittags nach Hause gehen... irgendwie hast du einen ganz konträren Rhythmus zu allen anderen um dich herum. Konditor war dann schon viel viel spannender, besonders viel kreativer und nicht ganz so beknackte Zeiten, eher so dass es dann so in die Nacht hinein ging. Dann bin ich in die Sternegastronomie als Patissier, Plätzchen, Eis und so weiter. Dann bin ich irgendwann in einen Laden gekommen, wo ich von heute auf morgen nur noch Schokolade gemacht habe. Das war eine Schokoladenmanufaktur, das lief aber leider nicht so gut und ging irgendwann seinem Ende entgegen, das hatte aber nichts mit mir zu tun, das gleich mal vorne weg (mit einem Lächeln), und da musste ich mich vor knapp fünf Jahren entscheiden, was ich machen will. Und dann fiel mir alles ein, was ich nicht machen will und dann blieb eigentlich nur die Selbstständigkeit. Ich wollte mich eh immer selbstständig machen, vielleicht noch nicht unbedingt zu dem Zeitpunkt, aber dann war es halt 2010 so weit, dass ich mich selbstständig gemacht habe.

Die Markenzeichen von Wohlfarth...
... sind die abspielbaren Schallplatten. Wir fertigen die meisten nach Bedarf an, sie sind nicht unsere Erfindung, sondern ein Berliner Tüftler und Bastler hat sie in den 80ern erfunden, ich kenne ihn auch inzwischen recht gut. Vinyl erlebt aber auch gerade eine Renaissance...
Topseller sind aber die Salzstäbchen, die sind meine Erfindung, die verkaufen sich sehr gut, auch in großen Mengen.

Wo kommt denn die Schokolade eigentlich her?
2017 ist mein Ziel, alles von der Bohne an selber zu machen. Bis dahin ist es unser Job, die Kuvertüren, die wir kaufen, so zu mischen, wie wir das haben wollen. Also entweder geht’s um die Form oder den Geschmack… Was halt immer wichtig ist, es muss immer Bio als Mindeststandard haben. Das ist bei uns nichts Besonderes, sondern ganz selbstverständlich. Fairtrade haben wir in Teilen, da arbeiten wir noch dran, da wird es auch einen Übergang geben bis 2017, ab da werden wir versuchen, dass wir es selbst importieren, sodass man eben über Fairtrade-Standard bezahlen kann. Um jetzt aber auf den Punkt zu kommen: Wir arbeiten mit 2-3 Firmen zusammen, das ist einmal Lubeca, das ist eine Lübecker Firma, die eigentlich eher für Marzipan steht, die aber auch Schokolade hat und die Bio-Schokolade, mit der sie arbeiten, da gibt es nur drei, eine dunkle, eine helle, eine weiße. Bei Lubeca kommt der Kakao aus Peru, aus einer alten Inka-Stadt, Machu Picchu die Region, und nach deren Angaben sind das verschiedene Kooperativen, wo der Kakao dann herkommt, die gehen da eben hin und unterstützen… also sie zahlen nicht „fair“, sie zahlen nicht schlecht, aber eben nicht diesen „fair“-Standard, nah dran, wahrscheinlich, und es wird insofern unterstützt, dass sie eben zusagen, dass sie fest gewisse Mengen abnehmen, dass sie die unterstützen, indem sie sagen, die und die Sorten möchten wir, das sind alte Sorten. Es gibt ja auch das Problem mit der gezüchteten Sorte CCN, das ist gerade in Peru, vor allem in Ecuador ein Problem, ein hochgezüchtetes Ding, Kakao, der einen größeren Ertrag hat, der aber geschmacklich jetzt nicht so besonders ist, es geht wieder um große Mengen und so weiter… und Lubeca versucht eben, indem sie sagen, sie nehmen die und die Sorten, alte Sorten, den Anbauern den Anbau alter Sorten zu ermöglichen… das ist ja auch eine gewisse Unterstützung einfach. Und mit Know-How usw. werden sie auch unterstützt, es gibt Prämien für die, die besonders guten Kakao anbauen. Zu Lubeca weiterhin, natürlich ist es ein Unternehmen, das auch Gewinn machen muss, aber der Gewinn, der erwirtschaftet wird, fließt in einen Verein ein und nicht in Aktien usw. Mit denen arbeite ich am meisten zusammen.
Daneben ist eine meiner Lieblingsfirmen Pacari aus Ecuador. Für mich sehr wichtig, weil sie eben als einzige weltweit Demeter-zertifizierten Kakao haben, da ich da eben auch ein wenig mit aufgewachsen bin, im heimischen Garten wurde auch Demeter angebaut, ich hab da so einiges mitbekommen, deswegen finde ich das sehr schön und die haben auch einfach einen sehr einzigartigen Kakao, also Pacari, ähnlich wie Domori, also Domori geschmacklich ganz anders, aber Pacari hat eben auch einen sehr sehr eigenen Geschmack und auch gerade bei den rohen Schokoladen finde ich die ganz toll. Und da gibt es vor allem auch 100%-ige und eine 70% und die ist auch die rohe, die ich manchmal verarbeite, aber das sind wirklich kleine Mengen.
Dann gibt es Zotter, von denen habe ich manchmal 100%-ige, auch sehr lecker, die kommen dann aus Nicaragua, ja, das wars eigentlich.
Und jetzt seit letztem Jahr, das ist schon so der erste kleine Schritt in Richtung „von der Bohne an alles selber machen“, nehmen wir an einem Projekt teil, da kommt der Kakao aus Ecuador, und zwar sind das zwei Franzosen, Bouga-Kakao, die machen auch eine eigene Schokolade, so schwarz-gelb-grün, und die haben es sich zur Aufgabe gemacht, auch immer so ein paar kooperative Kakaobauern um sich herum zu scharen, die quasi den Kakao liefern, sie gehen vorher nach Europa, vornehmlich Deutschland, Österreich,Schweiz, damit sie ein paar Chocolatiers und Verarbeiter finden, die dann ne feste Zusage machen. In meinem Fall zum Beispiel habe ich für dieses Jahr gesagt, ich will 100kg Kakaobohnen und 150kg 70%-ige, dann können sie den Kakaobauern sagen, die und die Mengen nehmen wir fest ab, die können sich darauf verlassen, Bouga-Kakao sorgt dafür, dass es bio-zertifiziert wird und fair-zertifiziert wird, das heißt, die Kosten, die für die Zertifizierung entstehen, die ja nicht unerheblich sind, müssen nicht die Bauern übernehmen, das heißt, der Kakao wird über-fair-Standard bezahlt, weil wenn du es selbst anmeldest, hast du ja selber die Kosten. Und da habe ich im letzten Jahr zum ersten Mal dran teilgenommen, in diesem Jahr zum zweiten Mal, und das hat dann eigentlich Pacari und Zotter ersetzt, sodass ich eigentlich nur mit zwei Firmen arbeite. Und zwischenzeitlich immer mal hier und mal da.
Warum ich nicht mit Valrhona und wie sie alle heißen, arbeite… Ich habe nichts gegen Valrhona, Valrhona hat eine tolle Schokolade, nur eine kleine Bio-Range, die schmeißen dieses Jahr neue Bio-Schokoladen auf den Markt, ich war in der glücklichen Lage, sie haben die Samples hier mal rein gebracht, ich sollte mal meinen Senf dazu geben, also ich kenne die schon, die demnächst auf den Markt kommen, war ganz schön… Ne, mir geht’s einfach darum, dass ich nicht so Lust habe, mit den ganz Großen zusammen zu arbeiten. Bei Valrhona ist es halt so die Sache, jeder rund um den Globus, der ein Sternerestaurant ist, arbeitet mit Valrhona. Geht mir völlig auf den Senkel, ich verstehe das, weil die ein gutes Konzept haben, sie liefern die Rezepte, bis hin zu den Formen, den Ideen und haben auch wirklich tollen Stoff, wenn man im Restaurant ist und im Hotel, hat man auch nicht so die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, aber ich, der ich jetzt nur Schokolade herstelle, muss dann nicht mit einer Firma arbeiten, die total super aufgestellt sind, wo mir alles vorgekaut wird. Und mit Callebaut, dem größten Hersteller, was nur Kakao anbelangt, ansonsten gibt es auch noch andere, die noch größer sind, aber die stellen dann nicht nur Kakao her, das geht aus politischen Gründen überhaupt nicht, weil ja zwischen 80 und 90 Prozent der gesamten Kakaoernte Industriekakao ist, und wenn du der größte Hersteller bist im Kakao-Bereich, dann ist es logisch, dass du eben auch diesen Industriekakao herstellst, wenn wir über Industriekakao sprechen, sprechen wir über Afrika, wenn wir darüber sprechen, sprechen wir über Kindersklaven, also… die waren auch hier, wir kennen uns ja alle untereinander so ein bisschen und die sind natürlich auch vorbereitet auf solche Gespräche und fragen mich dann, ja, kann man denn überhaupt behaupten, dass irgendeine Kakaobohne keine Kinderhand berührt hat und so einen Quatsch… Also das ist der Grund für mich, wieso ich nicht mit ihnen zusammen arbeite. Es gibt natürlich auch noch viele andere, aber es kristallisiert sich und dann findet man so seinen Weg.

Bist du also sozusagen das Mädchen für alles?
- (lacht)
Lange Zeit ja, das hängt ein bisschen mit der eigenen Strukturierung zusammen. Inzwischen habe ich große Teile abgegeben, eben auch die Produktion, da bin ich so gut wie raus, wenn es brennt, arbeite ich mit, aber im Sommer sind selbst meine beiden Festangestellten auf einer halben Stelle, weil auch die großen Abnehmer nicht so viel abnehmen in der Zeit. Alles was anfällt, außer Produktion, ist eben meine Aufgabe. Im 5. Jahr habe ich 2 Festangestellte, eine Aushilfe, im Laden suchen wir auch jemanden, das ist das erste Mal, dass ich von Januar bis zum Sommer im Laden und noch in der Produktion sporadisch jemanden habe, normalerweise mache ich das alles selber, aber du kommst überhaupt nicht mehr voran, das sind so viele Sachen, mailtechnisch, neue Produkte, Kooperationsanfragen, der ganze administrative Kram halt, der dann immer nachts oder morgens noch gemacht werden muss…aber es wächst und wir kommen zurecht!

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